Architektur in Halle: Carl Rehorst

Mit den reich gegliederten Fassaden, verschiedenen Fenstern und differenzierten Baukörpern seiner Schulgebäude setzte sich Carl Rehorst von den bis dato schlichten und rechteckigen Backsteinbauten in Halle ab.

Von Talamt bis Toilettenhäuschen – Halles „Schulbaumeister“ Carl Rehorst

Sieben Jahre lang, von 1899 bis 1906, war der Architekt Carl Rehorst in Halle (Saale) tätig. In dieser Zeit hat er als Stadtbaurat das Aussehen der Stadt verändert. Die Palette seiner öffentlichen Gebäude reicht vom Museumsbau in der Moritzburg Halle bis zum Toilettenhäuschen. Vor allem aber prägen seine Schulen die Stadtsilhouette. Halles schönste Schulbauten sind Entwürfe Rehorsts: das heutige Giebichenstein-Gymnasium, das Georg-Cantor-Gymnasium in der Torstraße, die Reilschule am Reileck sowie die Hutten-Grundschule und die Comeniusschule in der Freiimfelder Straße.

Giebichenstein Gymnasium – eine städtebauliche Dominante

Das prominenteste Beispiel für den Schulbau Rehorsts ist das 1903 als Mittelschule eröffnete Giebichenstein-Gymnasium in der Friedenstraße – eine echte städtebauliche Dominante. Drei Jahre zuvor war Kröllwitz eingemeindet worden, und der Norden der Stadt benötigte eine neue, größere Schule. Als Bauplatz bot sich ein erhöhter Baumateriallagerplatz der Stadt an der Friedenstraße an.

Das Giebichenstein-Gymnasium „Thomas Müntzer“ erhebt sich auf einer Bergkuppe oberhalb der Bartholomäuskirche und bildet eine beeindruckende Höhendominante der nördlichen Stadtteile.


Auffallend sind die hochstrebenden Renaissancegiebel des Putzbaues – die „für Halle charakteristischen Formen der Frührenaissance“, wie Rehorst schrieb. Waren die Volksschulen bis dahin schlichte rechteckige Backsteinbauten, so lieferte Rehorst eine reich gegliederte Fassadengestaltung, große, verschiedene Fenster und einen differenzierten Baukörper, der aus einem langen Mittelbau und zwei Kopfbauten besteht

Die Ostfassade des Giebichenstein-Gymnasiums ist differenziert gestaltet und zur Mitte hin vielfach ab- und zurückgestuft. Nach Rehorsts Verständnis sind die Giebel mit
Elementen der Frührenaissance halleschen Bürgerhäusern des 16. Jh. nachempfunden.
Die Ostfassade des Giebichenstein-Gymnasiums ist differenziert gestaltet und zur Mitte hin vielfach ab- und zurückgestuft.


Im nördlichen befindet sich die prächtige Schulaula. Die Schule zeigt eine maßvolle Fassadengestaltung aus sparsamer Bauplastik und das moderne „Bauen von Innen nach Außen: Die Anordnung und Bedeutung der einzelnen Räume war klar an der Fassade ablesbar, so wie die Funktion der einzelnen Gebäudeteile.

Anforderungen an Schulen ändern sich

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts änderten sich sie Anforderungen an die Schulen und mit ihnen die architektonische Gestaltung der Schulgebäude. Zum einen wuchs die Bevölkerung der Stadt sprunghaft, Schulen wurden gebraucht. Zum anderen wurde das Lernen von Lesen, Schreiben und Rechnen nun durch Werkunterricht, Turnen, Zeichnen oder Schulgarten ergänzt. Auch neben der Mittelschule baute Rehorst eine Doppelturnhalle.

Die Baukosten beliefen sich auf 354.000 Mark. Eine enorme Summe, für die der Architekt Carl Rehorst vom Stadtrat kritisiert wurde. Von „Schulpalästen“ war die Rede. Rehorst schrieb in Bezug auf die geplante, 1908 eröffnete Torschule: „Es mag zugegeben werden, dass zuweilen und namentlich im Anfang, als man begann, das Schulhaus nicht mehr dem ,Nutzbau’, sondern dem Kunstbau zuzurechnen, des Guten etwas zu viel getan worden ist und Bauten entstanden sind, die mehr italienischen Palazzi als einer Volksschule gleichen. In neuerer Zeit aber mehren sich die Schulbauten, die ihre Schönheit darin suchen, ihren inneren Zweck klar zum Ausdruck zu bringen, sich der heimischen Bauweise anzuschließen und auf Schmuck im üblichen Sinne zu verzichten“.

„Es mag zugegeben werden,

dass [..] Bauten entstanden

sind, die mehr italienischen

Palazzi als einer Volksschule

gleichen.“

Carl Rehorst, Architekt und Stadtbaurat in Halle ( 1866 bis 1919)

Rehorst entwarf auch öffentliche Gebäude

Rehorst war indes nicht nur Schulbaumeister. Er zeichnete für verschiedene öffentliche Gebäude verantwortlich. 1904 wurde beispielsweise das nach seinem Entwurf errichtete „Talamt“ in der Moritzburg eröffnet. Das am Südflügel liegende, neue „Talhaus“ von Rehorst zeigt in seiner Fassade eine sehr freie Weiterentwicklung des ehemaligen Talamtes, das über Jahrhunderte am Hallmarkt stand und 1882 für die spätere Neugestaltung des Platzes abgerissen wurde.

Der Museumsbau von Architekt Carl Rehorst enthält die originalen Gerichts- und das Festzimmer des historischen „Thalgerichts“ am Hallmarkt. In diesem Bau wurden auch andere aus halleschen Häusern geborgene Ausstattungen und Portale untergebracht.

Rehorst entwarf 1902 auch das Gebäude des städtischen Obdachlosenasyls, das übrigens nur halb so viel wie die Mittelschule an der Friedensstraße kostete. Das Gebäude bot 230 Männern und Frauen Platz, später wurde es von Wilhelm Jost erweitert und dient heute immer noch seiner ursprünglichen Bestimmung.

Der Entwurf der ehemaligen Knaben- und Mädchenschule (ehem. Torschule und heute Georg-Cantor Gymnasium) zielte auf eine wirkungsvolle Positionierung des monumentalen Schulbaus inmitten einer städtebaulich akzentarmen Umgebung.
Der Entwurf der ehemaligen Knaben- und Mädchenschule (ehem. Torschule und heute Georg-Cantor Gymnasium) zielte auf eine wirkungsvolle Positionierung des monumentalen Schulbaus inmitten einer städtebaulich akzentarmen Umgebung.

Toilettenhaus an der Merseburger Straße

Zu Rehorsts Aufgaben gehörte auch der Bau von „Bedürfnisanstalten“, also Toiletten, die um die Jahrhundertwende für die stetig wachsende Stadtbevölkerung benötigt wurden. Als einziges erhalten geblieben ist das WC an der Merseburger Straße/Huttenstraße. Der 1902 nach einem Entwurf von Stadtbauinspektor Carl Rehorst gebaute, teils zweifarbige Klinkerbau mit fünf Fensteröffnungen auf der Schauseite zur Merseburger Straße ist heute Halles älteste öffentliche Toilette – allerdings nicht mehr in Benutzung.

Ein weiterer Entwurf Rehorsts ist das Gesundbrunnenquellhäuschen in der Gartenstadt Gesundbrunnen in Halle, das 1902 einen Vorgängerbau ersetzte. Auch der heutige Eselsbrunnen am Alten Markt gehört dazu, allerdings noch ohne Müllerburschen, der kam erst 1913 auf die Säule. Da hatte Carl Rehorst Halle schon lange verlassen.

Der Architekt Carl Rehorst (1866 bis 1919)

Carl Albert Rehorst stammte aus Schlüchtern in Hessen. Nach dem Studium des Bauwesens, Fachrichtung Hochbau, in München und Berlin war er ab 1897 als „Regierungsbauführer“ in der Hochbauabteilung der Königlichen Regierung Wiesbaden tätig. Nach einer Studienreise, die ihn 1898 nach Italien und Sizilien führte, sowie der Heirat mit Else Siemens trat Rehorst am 15. März 1899 als Stadtbauinspektor in den Dienst der Stadt Halle.

Die Familie mit zwei Söhnen zog in eine Wohnung in der Lafontainestraße 3. Als Stadtbaurat zeichnete Rehorst zwischen 1904 und 1907 für viele öffentliche Bauvorhaben verantwortlich. Allerdings war die Unterstützung des fortschrittlichen Chefs der Bauverwaltung durch den Stadtrat gering; 1906 kehrte Rehorst deshalb der Stadt den Rücken und wurde Landesbaurat und Provinzialkonservator der Provinz Sachsen in Merseburg.

Doch schon 1907 übernahm Rehorst in Köln das neu geschaffene Dezernat für Bauwesen und war bis zu seinem Tod 1919 für die Stadtplanung Kölns zuständig. Rehorst war auch die treibende Kraft der legendären ersten Werkbund-Ausstellung 1914 in Köln, die mit Architekten wie Henry van de Velde, Walter Gropius und Bruno Taut ein Meilenstein der Entwicklung der Klassischen Moderne war. Carl Rehorst ist in Köln an der Spanischen Grippe verstorben.

Literatur:

  • Kerstin Küpperbusch: Carl Rehorst. Hallescher Stadtbaurat und Reformarchitekt 1866–1919. Halle (Saale)
  • Holger Brülls und Thomas Dietzsch. Architekturführer Halle an der Saale. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2000

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