Garten-Architektur in Halle: Der Pestalozzipark in Halle

Der Pestalozzipark in Halle das grüne Herz der Gartenstadt Gesundbrunnen

Der Pestalozzipark in Halle ist – neben der Peißnitzinsel, den Weinbergwiesen und den beiden historischen Gärten Amtsgarten und Reichardtsgarten – eine der größten und facettenreichsten Parkanlagen in Halle. Im Pestalozzipark finden sich auf über einem Kilometer Länge verschiedene Themengärten mit beeindruckenden Perspektiven, Farben und Formen. Interessant ist auch, dass der Pestalozzipark unter dem Einfluss zweier paralleler Entwicklungen entstand. Zum einen der Stadterweiterung Halles in Richtung Süden nach dem 1. Weltkrieg, zum anderen durch den Einfluss der Gartenstadt-Bewegung in Deutschland Mitte der 1920er Jahre.

Bevölkerungsexplosion und der Ruf nach bezahlbarem Wohnraum

Die enormen Bevölkerungszuwächse der Hochindustrialisierung Ende des 19. Jh. und Anfang des 20. Jh. machten das Wohnen in den Städten zunehmend beschwerlich. Man muss sich vorstellen, dass die Bevölkerungszahl in Halle allein in zehn Jahren zwischen 1917 und 1927 um gut 31.000 Personen auf 200.141 anstieg. In der Folge gab es in Halle kaum ausreichend guten Wohnraum in der Innenstadt, und für die in den aufkommenden Industriebetrieben arbeitende Bevölkerung und zahlreichen Kriegsheimkehrer auch kaum bezahlbaren Wohnraum.

Stadtplaner sahen sich vielerorts gezwungen, ehemaliges Ackerland in der näheren Umgebung anzukaufen, um dort mit geringstem baulichen Aufwand Wohnsiedlungen zu bauen. In dieser Zeit entstanden die ersten Genossenschaftsmodelle, die den Menschen schnell günstigen Wohnraum und die Möglichkeit zur Selbstversorgung schaffen sollten. So auch in Halle.

Als Beispiele für die ersten Genossenschaften und den kommunalen Wohnungsbau in Halle sind hier die „Gemeinnützige Kleinwohnungsbau-Halle-Aktiengesellschaft“ (später HWG) oder die Genossenschaften „Eigene Scholle“ und „Bauverein für Kleinwohnungen“ (BAUVEREIN Halle & Leuna) zu nennen.

Der vom Gartenarchitekten Franz Mengel entworfene Park ist ein geschickt angelegter, breiter, mittiger Grünzug, der durch die flankierenden Hausgärten und Dauer-Schrebergärten optisch erweitert wird.
Der vom Gartenarchitekten Franz Mengel entworfene Park ist ein geschickt angelegter, breiter, mittiger Grünzug, der durch die flankierenden Hausgärten und Dauer-Schrebergärten optisch erweitert wird.

„Licht, Luft und Sonne“ – die Gartenstadt-Bewegung der 1920er Jahre

Zusätzlich zur starken städtischen Expansion gesellte sich eine Bau-Bewegung, die einen erheblichen Einfluss auf das heutige Gebiet rund um den Pestalozzipark hatte: die Gartenstadt-Bewegung der 1920er Jahre.

Die Gartenstadt-Bewegung ist ein aus England stammendes Modell planmäßiger Stadtentwicklung und war auch in Deutschland eine Antwort auf die aus der Industrialisierung heraus resultierenden schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse sowie die steigenden Grundstückpreise in den stark wachsenden Großstädten.

So begann in den Jahren 1926-1930 der Bau der großräumigen, durchgrünten Gartenvorstadt „Am Gesundbrunnen“ mit ihren locker angeordneten Wohnbauten und den Haus- und Dauerschrebergärten. Nach dem Grundsatz „Licht, Luft und Sonne“ wurde die Gartenstadt Gesundbrunnen errichtet.

Der Pestalozzipark – eine gut 1 km lange Grünanlage

Der Pestalozzipark in Halle bildete das Zentrum der neu angelegten Gartenvorstadt Gesundbrunnen. Die neue Siedlung führt von Norden nach Süden, vom ehemaligen Stadtgut Böllberg mit der Pestalozzischule bis zur Diesterwegstraße (Diesterwegschule und ehem. Reichwein-Gymnasium) und in der späteren Verlängerung (1970 und 2001) bis zur Südstadt.

Der vom Gartenarchitekten Franz Mengel entworfene Park ist ein geschickt angelegter, breiter, mittiger Grünzug, der durch die flankierenden Hausgärten und Dauer-Schrebergärten optisch erweitert wird.

In seiner ursprünglichen Anlage ist der Pestalozzipark etwa 850m lang und durchschnittlich 60m breit und bildet in Summe eine Fläche von etwa 13,5 Hektar. Der Park wurde so den Ansprüchen an Offenheit, Erholung, Frischluft und Lebensqualität mehr als gerecht. Darüber hinaus diente er als verbindendes Element der angrenzenden Stadtviertel.

Durch die flankierenden Schrebergärten, die der Selbstversorgung der Bevölkerung dienen sollten, wirkt der Park noch um ein Vielfaches weiter und größer. Gerade die Möglichkeiten der Selbstversorgung nahmen in den 1920er Jahren einen hohen Stellenwert ein. Denn die großen Hungersnöte zum Ende des ersten Weltkriegs waren noch allzu präsent.

Ein Streifzug durch die Gartenhistorie

Der Pestalozzipark in Halle ist auch ein kleiner Streifzug durch die Geschichte der Gärten. Im Park selbst finden sich verschiedene gestalterische Stilelemente, die dem Park ganz einzigartige Perspektiven und Stimmungen verleihen. Im Pestalozzipark finden sich geradlinig und streng symmetrisch angelegte Bereiche mit Separees und Pergolen, die an die Lustgärten des Barock erinnern. Ebenso gibt es natürlich wirkende und wilde Elementen, die sich an der offenen und weiten Landschaftsarchitektur englischer Gärten orientieren.

Der Pestalozzipark in Halle vereint geradlinig und streng symmetrisch angelegte Bereiche mit Separees und Pergolen in Anlehnung an die Lustgärten des Barock und atürlich, wilde Elemente, die an englische Landschaftsgärten erinnern .

Überall finden sich Springbrunnen und Wasserspiele, die den einzelnen Bereichen Lebendigkeit verleihen. Beindruckend sind die bepflanzten Beete, die vor allem im Frühjahr und Herbst ein Farbenmeer bilden. Gerade im Herbst stellt der Dahliengarten im Pestalozzipark mit seiner Farben- und Blütenpracht alles andere in den Schatten. Ein Ähnliches Farbspektakel findet man in Halle höchstens am Juliot-Curie-Platz.

Im Herbst stellt der Dahliengarten im Pestalozzipark mit seiner Farben- und Blütenpracht alles andere in den Schatten.
Im Herbst stellt der Dahliengarten im Pestalozzipark mit seiner Farben- und Blütenpracht alles andere in den Schatten.

Erweiterung des Parks 1970 und 2001

In den 1970er Jahren und in 2001 wurde der Pestalozzipark entscheidend in Richtung Süden erweitert. Nach der Diesterwegschule bis hin zur Ikarus-Plastik schließen sich nun der Terrassengarten (1970er Jahre), Skaterpark, Bolzplätze, Spielplätze, ein ökologisch angelegter Teil mit Naturlehrpfad, eine Festwiese und die großzügige Hundewiese (2001) an. Insgesamt verbindet der Park heute auf rund 1,3 km Länge die Stadtviertel Böllberg, die südliche Innenstadt, die Vogelweide und die Südstadt.

Seit 1966 wird jedes Jahr zum Herbstanfang das Parkfest im Pestalozzipark gefeiert. Finanziert wird es von Sponsoren und Spenden. Die umliegenden Geschäfte beteiligen sich durch das Aufstellen sogenannter Spendenkästchen, wodurch Bürger den Veranstaltern des Parkfestes Unterstützung leisten können.

Pestalozzischule und Diesterwegschule – architektonisch bedeutsame Gebäude im Park

Im Norden begrenzt die Pestalozzischule (benannt nach Johann Heinrich Pestalozzi, 1746-1827) den gleichnamigen Park und die Gartenvorstadt Gesundbrunnen. Sie wurde als Hilfsschule geplant und war die 1928/29 eine der ersten ihrer Art in Deutschland. Es handelt sich um eine Dreiflügelanlage mit Cour d´honneur (Ehrenhof) als Schulhof und hat durch die Rundtürme einen schlossähnlichen und burgähnlichen Charakter. Einen Teil der Grünanlagen des Parks wurde früher als Schulgarten und Freiluftklasse genutzt.

Am ursprünglich südlichen Ende des Parks – aber heute wohl eher in der Mitte der Anlage – befinden sich die Diesterwegschule und das ehemalige Reichwein-Gymnasium. Während in letzterem derzeit Wohnungen entstehen, dient die Diesterwegschule immer noch ihrem eigentlichen Zweck, heute als Grundschule.

Wandlung der architektonischen Formensprache unter politisch wechselnden Einflüssen

An kaum einem anderen Gebäude oder Gebäudeensemble lässt sich die Wandlung der architektonischen Formensprache unter politisch wechselnden Einflüssen deutlicher erkennen als hier. Während beide Gebäude auf einem nahezu identischen Grundrissen und Proportionen in den 1920er Jahren geplant sind weisen sie eine drastisch unterschiedliche Formensprache auf.

Beide Schulgebäude waren Bestandteil einer monumentalen Planung mit einer Platzanlage und einer großen Kirche als Zentrum der Gartenstadt Gesundbrunnen.
Beide Schulgebäude (Diesterwegschule und Reichwein-Gymnasium) waren Bestandteil einer monumentalen Planung mit einer Platzanlage und einer großen Kirche als Zentrum der Gartenstadt Gesundbrunnen.

 

Die Diesterwegschule wurde als erster Bauabschnitt in der Weimarer Republik als betont modernes Schulgebäude mit asymmetrisch-kubischem Baukörper, Flachdach und großzügigen hellen Räumen errichtet. Der zweite gegenüberliegende Bauabschnitt hingegen wurde in der NS-Zeit – bei gleicher, großzügiger Raumdisposition an den konservativen Heimatstil angelegt.

Dem Flachdach wurde programmatisch ein Walmdach gegenübergestellt (heute nach Umwandlung ein Satteldach). Die Fensterfronten fielen ungleich kleiner und gedrungener aus und gegenüber dem Klinkersockel und hellen Glattputz setzte man einen Natursteinsockel und Rauputz.

Beide Schulgebäude waren Bestandteil einer monumentalen Planung mit einer Platzanlage und einer großen Kirche als Zentrum der Gartenstadt Gesundbrunnen. Letztendlich kam die Kirche jedoch nicht mehr zur Ausführung, einzig das Gemeindehaus mit Kirchsaal wurde 1933 nach Plänen von Bruno Föhre realisiert.

Quellen:

Brühls, Holger; Dietzsch, Thomas; 2000: Architekturführer Halle an der Saale
https://de.wikipedia.org/wiki/Pestalozzipark_(Halle)
https://m.halle.de/de/Kultur/Tourismus/Sehenswertes/Gruenes-Halle-entdecken/Pestalozzipark/
https://www.pestalozzi-parkfest.de/
https://www.halle.de/de/Verwaltung/Stadtentwicklung/Stadtteile-und-Stadt-09564/Stadtteil-Halle/Stadtviertel-Gesundb-09628/index.aspx?RecID=9628
https://www.hallesche-immobilienzeitung.de/heinrich-faller-architekt-des-kommunalen-wohnungsbaus-in-halle/
https://www.moderne-halle.de/ort/diesterwegschule-und-reichwein-gymnasium/

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