Moderne Bauten des Architekten und Bauherren Walter Tutenberg
Die Massenmotorisierung Deutschlands hinkte Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich hinterher. Hinter den USA sowieso, aber auch hinter Frankreich. Dort waren im Jahr 1907 genau 31.295 Pkw registriert, in Deutschland gerade 8.918. Erst in den 1930er Jahren wurden Deutschlands Straßen voller. Insofern geschah die Eröffnung des ersten Parkhauses in Halle, in der Pfännerhöhe 70, im Jahr 1929 nicht aus Parkplatznot. Der hallesche Bauingenieur und Bauunternehmer Walter
Tutenberg investierte in das Wachstum der Motorisierung.
Die Halleschen Nachrichten schrieben anlässlich der Eröffnung der Garage 1929 von einer „modernen, großstädtischen Karawanserei“. Parkhaus-Pionier Tutenberg lieferte bei der Parkgarage das ganze Paket, den amerikanischen Vorbildern folgend: Es gab zwei Tankstellen, Schlaf- und Aufenthaltsräume für Chauffeure,
„Herrenfahrer“ und Monteure; ebenso eine moderne Toilettenanlage, Waschräume, Bäder und Duschen. Zum Geschäft trugen Verkaufsräume für Reifen, Treibstoff und Autoteile bei und sogar ein amerikanischer Friseursalon. Sämtliche Einrichtungen, inklusive Zapfsäulen, waren rund um die Uhr geöffnet. Tutenberg richtete auch einen Lotsen-Dienst ein, der Ortsfremde vom und zum Stadtausgang chauffierte. Die Miete einer Box war teuer, sie kostete 35 oder 40 Mark im Monat.
Eine der ältesten Großgaragen Deutschlands
Die „Großgarage Süd“ gehört zu den ältesten Deutschlands. Die Aufzugsgarage inmitten eines Wohngebietes ist ein bedeutendes technisches Denkmal Halles. Eisen, Beton und Glas sind die Baumaterialien. Die Konstruktion von neun Metern Breite und 15 Metern Höhe erstreckt sich über vier Geschosse.
Das fast vollständig verglaste Dach belichtet die Halle zusätzlich. Beidseitig befinden sich in vier Ebenen die Parkboxen, die durch eiserne Rolltore geschlossen werden konnten. Während im Erdgeschoss die Autos selbstständig in die Boxen gefahren werden konnten, diente zur Erschließung der oberen Geschosse und des Kellers ein mittig gelegener Aufzug. Von dort rangierte ein Chauffeur die Autos in die rechts und links platzierten Boxen, oder Schiebebühnen beförderten die Fahrzeuge vor die jeweilige Box.
Auffälligstes Element der Garage ist die nördliche Glasfassade mit der Einfahrt. Die Ausfahrt erfolgte auf der Rückseite, an der Liebenauer Straße. Hier fügt sich die Fassade aber im Gegensatz zur Vorderseite stilistisch in die umgebende Wohnbebauung ein – sie ist als Fassade eines Wohnhauses gestaltet.
Freilich waren die Betriebskosten, etwa für die Heizung, enorm. Aus Finanznot übernahm im Jahre 1939 die Firma Curt Köhler & Co. den Betrieb des Parkhauses. Noch 1955 wurde das Bauwerk der Moderne in einer Tageszeitung als größte Großgarage in der DDR geführt. Der Tankstellenbetrieb lief noch bis in die 1960er Jahre, wurde aber nach der Verstaatlichung durch den VEB Minol eingestellt. 1960 ging die Garage in staatlichen Besitz über – und verfiel. 1992 wurde der Aufzug vom TÜV gesperrt. 2007 begann durch den Bauverein Halle & Leuna eG die schwierige denkmalgerechte Sanierung. Die ursprünglich vorgesehene Erneuerung des Aufzuges konnte aus Gründen der praktischen Handhabung und mangels Zulässigkeit nicht realisiert werden. Heute wird die Garage über eine spiralförmige Auffahrt erschlossen und bietet 85 Fahrzeugen Platz.
Walter Tutenberg (*1886, † k. A.) Walter Tutenberg hat in Halle an verschiedenen Häusern aus den 1920er und 1930er Jahren seinen Namenszug als Erbauer hinterlassen. Tutenberg gehörte zu den Bauunternehmern, die die Stadterweiterung zu Beginn des Jahrhunderts durch rege Bautätigkeit gestalteten. In verschiedenen Texten wird Tutenberg immer wieder als Achitekt und auch als Maurermeister bezeichnet. Tatsächlich war er Bauingenieur und Unternehmer. Biografische Daten gibt es kaum, in Halles Stadtarchiv findet sich eine Geburtsurkunde mit einigen Angaben: Der Bauingenieur Walter Wilhelm Tutenberg wurde demnach 1886 in Hannover-List geboren, war der Sohn des Obergärtners August Wilhelm Tutenberg. Er heiratete 1914 in Hamburg Alma Auguste Wriedt. Zur Zeit der Heirat wohnte er in Leopoldshall. 1924 wurde eine Tochter in Halle geboren. Zudem gibt es Einträge zu Kaufvorgängen, etwa in der Grundeigentumsverwaltung über die „Veräußerung der Baustelle Mozartstraße 2, 3 und 4 an den Baumeister W. Tutenberg“, aber auch seine Anträge aus den 1940er Jahren auf Entschädigung nach Kriegsschäden an seinen Gebäuden. Solch aktenkundige Einträge gibt es vor allem zu Tutenberg-Häusern im Paulusviertel, für die Kuhnstraße 12 (heute Heinrich-Zille-Straße), die Scharnhorststraße 24 (heute Ludwig-Büchner-Straße), die Schleiermacherstraße 28 und die Kronprinzenstraße 27 (heute ebenfalls Schleiermacherstraße), für die Cecilienstraße 53 und 54 (heute Herweghstraße) sowie für die Burgstraße 21. Er verließ Halle im Jahr 1963 und wohnte zuletzt in der Schleiermacherstraße 27.