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Architektur in Halle: Carl Langhans

In Halle lassen sich an den Gebäuden die Baustil-Epochen wie in einem Bilderbuch ablesen, von der Kirche der Romanik bis in die Moderne. Im Gegensatz zu den beiden anderen Großstädten Sachsen-Anhalts, Magdeburg und Dessau, verfügt Halle über ein großes intaktes historisches Stadtbild. Die Immobilienzeitung stellt in einer Serie Gebäude und Epochen vor. Heute ein ungewöhnliches Objekt: die Sternwarte im Botanischen Garten, erbaut 1788 von Carl Gotthard Langhans, dem Architekten des Brandenburger Tores.

Sternwarte mit schlechter Sicht im Botanischen Garten

Ab Ende November wird das Planetarium auf der Peißnitzinsel in Halle abgerissen. Das Raumflugplanetarium „Siegmund Jähn“, wie das Anfang der 1970er Jahre errichtete Bauwerk hieß, wurde vor fast viereinhalb Jahren vom Hochwasser getroffen. Seither steht es leer. Nun wird der denkmalgeschützte Plattenbau endgültig zum Opfer der Flut. Dieses traurige Schicksal wird Halles älteste Sternwarte niemals ereilen. Erstens steht das Gebäude auf dem höchsten Punkt des Botanischen Gartens am Kirchtor, unerreichbar hoch in der Nähe des Saaleufers. Zweitens ist es bauhistorisch zu wertvoll: Die Sternwarte wurde 1788 nach den Plänen des bekannten preußischen Baumeisters Carl Gotthard Langhans errichtet. Das kleine Bauwerk gilt neben dem Löwengebäude der Universität als wichtigste Leistung klassizistischer Baukunst in Halle.

Eine der ältesten Universitätssternwarten Deutschlands.

An der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Halle war von 1788 bis zum Wintersemester 1923/24 eine Sternwarte in Betrieb. Der knapp zehn Meter hohe, achteckige Turm hat drei Geschosse und besitzt auf der obersten Etage vier Balkone, die nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet sind. Im Erdgeschoss befindet sich das Vestibül für den angebauten Meridiansaal. Im ersten Obergeschoss war eine größere Bibliothek untergebracht. Im obersten Geschoss der Sternwarte befand sich der Refraktorsaal. Von dort konnte in die Sterne geschaut werden. Architekt Langhans hat im Botanischen Garten eine der heute ältesten Universitätssternwarten Deutschlands und die erste ihres Typs in Preußen geschaffen. Lange galt sie auch als ältestes von der Universität Halle selbst errichtetes Bauwerk. Denn erst im späten 18. Jahrhundert war die Universität in der Lage, eigene Gebäude für wissenschaftliche Untersuchungen zu errichten. Bis dahin mietete man sich ein oder unterrichtete in Privathäusern der Professoren.

Vier Balkone – vier Himmelsrichtungen

Langhans baute auch das Brandenburger Tor und am Schloss Bellevue

Der Kanzler der halleschen Universität, Carl Christoph von Hoffmann, ein 1786 geadelter königlich-preußischer Geheimrat, war für den Bau verantwortlich. Er bestimmte den seit 1698 zur Universität gehörenden Botanischen Garten als Standort für die Sternwarte. Auf eigenem Grund und Boden zu bauen, war schon damals eine Kostenfrage. Geld für geeignetere Grundstücke hatte die Universität nicht. Für den Funktionsbau konnte der Hallenser Carl Gotthard Langhans als Architekt gewonnen werden. Der war da schon sehr prominent, ein Jahr später begann er sein bekanntestes Werk, das Brandenburger Tor in Berlin. Auch für das Schloss Bellevue, heute Amtssitz des Bundespräsidenten, zeichnete Langhans verantwortlich. Dass er sich dem kleinen Hochschulbau an der Saale widmete, mag vielleicht daran gelegen haben, dass er an der späteren Martin-Luther-Universität Rechtswissenschaften studiert und sich zugleich zum Architekten weitergebildet hatte. Neben der Verbundenheit zum Studienort war wichtiger, dass Freiherr Karl Abraham von Zedlitz den Auftrag vermittelte, ab 1770 Geheimer Staats- und Justizminister in Preußen und auch für akademische Angelegenheiten zuständig. Zedlitz und Kanzler Hoffmann, der auch den Dieskauer Park anlegen ließ, waren in Halle Studienfreunde gewesen.

Kein Glück beim „Sterne gucken“

So schön der kleine Turm ist, seiner Funktion wurde er nie wirklich gerecht. Der Sternwarte war kein Glück beschieden. Schon 1805 wird sie als „wenig genutzt“ beschrieben und lediglich als Zierde für den Botanischen Garten bezeichnet, der in dieser Zeit wesentlich erweitert wurde. Fünfzig Jahre später kann man in Knauths Wegweiser durch Halle und seine Umgebungen (1853) lesen, dass 1826 eine „wesentliche und zweckmäßige Umgestaltung“ erfolgte, die Ausstattung aber weiterhin dürftig war. Damals wurde der Innenraum umgebaut, die äußere von Langhans entworfene dorische Portalarchitektur ist erhalten geblieben. In einem um 1910 veröffentlichten Stadtführer ist festgehalten, dass es eine „infolge ihrer ungünstigen Lage zu Beobachtungszwecken nicht zu benutzende Sternwarte“ sei. Was man nicht bedacht hatte, heißt es, war, dass die Bäume im Botanischen Garten die Sicht gen Himmel behindern würden, so dass keine regelmäßigen wissenschaftlichen Beobachtungen stattfinden konnten. Ein 1904 erschienener „Führer durch Halle a. d. S. und seine staatlichen und städtischen Einrichtungen und Anstalten“ ergänzt, dass „die sehr mangelhafte instrumentelle Einrichtung modernen Anforderungen in keiner Weise entspricht.“

Die dorische Portalarchitektur der Sternwarte ist erhalten geblieben.

Magerquark als Baumaterial

1923 wurde das Observatorium schließlich aufgelöst. Die Bibliothek ist in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle aufgegangen, wird dort aber noch als eigenständige Sammlung geführt. Heute befinden sich in dem Gebäude Sozial- und Arbeitsräume. Die ehemalige Sternwarte der Universität wurde 2006 für knapp 110.000 Euro von der Universität rekonstruiert. Alle Arbeiten wurden in weitgehender Anlehnung an die Bauausführung im 18. Jahrhundert durchgeführt. Putze wurden vor Ort gemischt, dem Gesimsputz wurde für eine bessere Geschmeidigkeit ein Becher Magerquark je Mischung zugesetzt, der aufgetragene Fassadenputz wurde mit dem Reisigbesen geschlagen, um wieder die historische Struktur zu erreichen, berichtet Matthias H. Hoffmann vom Institut für Geobotanik der Universität, der Kustos des Botanischen Gartens.

Die Sternwarte ist übrigens nicht das älteste Gebäude der Martin-Luther-Universität in Halle. Laut Hoffmanns Recherchen belegen die ältesten Aufzeichnungen, dass ein kleines Gebäude in der Nähe, das Waschhaus, bereits vor 1785 gebaut wurde – also einige Jahre bevor die benachbarte Sternwarte entstanden ist, die heute das Wahrzeichen des mehr als 300 Jahre alten Botanischen Gartens ist.

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