Architektur in Halle: Fritz Schönemann

Das gründerzeitliche Wohnhaus Bernburger Straße 8 im neobarocken Stil mit prunkvoller Veranda und repräsentativen Stuck-Ornamenten.

Um die Jahrhundertwende und danach hat der Bauunternehmer Fritz Schönemann in der Saalestadt viele Gebäude geplant und gebaut und damit die Architektur in Halle nachhaltig geprägt. Seine Handschrift trägt beispielsweise das herrschaftliche gründerzeitliche Wohnhaus Bernburger Straße 8, an der Ecke Bernburger Straße und Mühlweg. Heute beherbergt das markante Gebäude das „Literaturhaus Halle“.

Als Mietshaus wurde die Bernburger 8, damals übrigens noch Mühlweg 31, im Jahr 1874 im Zuge der Stadterweiterung um den Mühlweg errichtet. Der dreigeschossige Putzbau ist mit einem Seitenrisalit versehen und wurde im neobarocken Stil ab 1890 aufwendig umgebaut. Eine Veranda kam hinzu, die heute als Eingangsloggia dient.

Nach Plänen des gemeinsamen Baubüros Fritz Schönemann und Günther Schwarz wurde das Haus zudem parallel zum Mühlweg samt einem neuen Treppenhaus am Mühlweg erweitert. 1897 schließlich wurden das Dach angehoben, um im Obergeschoss neue Räume zu schaffen, und die Straßenansicht zur Bernburger Straße durch Stuck-Ornamente repräsentativer gestaltet.

Repräsentation war Trumpf

Repräsentation war wichtig. Denn 1886 hatte ein solventer und wichtiger Eigentümer das Haus gekauft: Paul Albert Steckner (1853-1912) war einer von drei Brüdern und Inhabern des 1855 gegründete Bankhauses Reinhold Steckner. Dieses große Bankhaus finanzierte großflächig die Gründerzeit in der Saalestadt. Geld verdiente man vor allem im Eisenbahnwesen und Braunkohlebergbau. Bankgründer Reinhold Steckner manifestierte den Erfolg seines Unternehmens durch einen Geschäftsneubau am Marktplatz 19, heute neben dem Kaufhof, der von der bekannten Baufirma Knoch & Kallmeyer 1889 ausgeführt wurde.

Vom wirtschaftlichen Erfolg des Bankhauses kündet auch die prächtige sogenannte Steckner-Villa am Neuwerk, ebenfalls von Knoch und Kallmeyer entworfen. Der einstige Familiensitz ist heute das Hauptgebäude der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Und: Mit einer Stiftung aus Anlass des 50. Jubiläums des Bankhauses in Höhe von 100.000 Mark (das entspricht ungefähr 600.000 Euro) legte die Familie die Grundlage für das heutige Kunstmuseum Moritzburg.

Stuckdecken, prächtige Wandmalereien und Buntglas

Vom großbürgerlichen Reichtum seiner Bewohner künden im Haus Bernburger Straße 8 bis heute die prächtigen Stuckdecken, Wandmalereien, Wand- und Deckentäfelungen und Buntglasfenster im Haus. Die Saalesparkasse hat das gesamte Haus im Jahr 2006 in herausragender Weise als ihr „Kunstforum“ sanieren lassen. Bereits seit 1928 gehört die repräsentative Immobilie der heutigen Saalesparkasse, die es von der Witwe Steckner erwarb. 1935 erfolgten dann Umbauten für eine Filiale nach Plänen von Stadtbaurat Wilhelm Jost. Unter anderem wurde im Keller ein Tresor eingebaut, im Erdgeschoss entstand der Schalterraum, oben Mietwohnungen.

1949 wurden der Sparkassenraum erweitert und 1954 die Spitze des Turmes abgerissen und später nicht mehr ersetzt. Bis 1996 diente die Bernburger Straße 8 als Filiale, 2006 eröffnete das komplett sanierte Haus dann als Kunstforum der Saalesparkasse und „Literaturhaus Halle„. Das Haus, für das Schönemann vor allem neobarocke Formen nutze, beherrscht bis heute Ecke und Kreuzung der Bernburger Straße.

Ecktürme als beliebtes Gestaltungsmittel

Ecktürme scheinen ein beliebtes Gestaltungsmittel des Architekturbüros Fritz Schönemann & Günther Schwarz zu sein, das um die Jahrhundertwende in der Lindenstraße 3, der heutigen Willy-Brandt-Straße, seinen Sitz hatte. Das gilt auch für das prächtige Wohn- und Geschäftshaus Geiststraße 15, in dessen Erdgeschoss sich heute eine Apotheke befindet. Erbaut 1895, anstelle des ehemaligen Rathauses der Amtsstadt Neumarkt, ist das prominente Eckgebäude ein repräsentativer Ziegelbau mit Giebeln, Erkern und mit einem Eckturm mit neobarocker Schweifhaube.

Neobarocke Formen setzte Schönemann auch im Wohn- und Geschäftshaus Geiststraße 16 ein.
Neobarocke Formen setzte Schönemann auch im Wohn- und Geschäftshaus Geiststraße 16 ein.

Neobarocker Formen bediente sich Fritz Schönemann auch für das Verbindungshaus am Jägerplatz 20 aus dem Jahr 1889. Auch dieser kleine Ziegelbau trägt ein schweifhelmbekröntes Ecktürmchen über dem Treppenaufgang und reiches barockisierendes Putzdekor. Es war das erste eigene Haus des halleschen Studenten-Corps „Palaiomarchia“. Die Studentenverbindung wurde 1844 gestiftet. Der Name Palaiomarchia ist ein Kunstwort für Altmark (griechisch-lateinisch), ein Hinweis auf die Herkunft der Gründungsstudenten („Altmärker“).

Verbindungshaus am Jägerplatz 20
Verbindungshaus am Jägerplatz 20

Das von Schönemann entworfene, erste Corpshaus wurde 1913 durch das größere Haus in der heutigen Heinrich-und-Thomas-Mann-Straße 28 ersetzt, welches das Corps – nach Enteignung und Rückübertragung – bis heute betreibt.

Schönemann beherrschte alle Spielarten des Historismus

Fritz Schönemann beherrschte alle Spielarten des Historismus. Mit der Villa Thumann des Unternehmers und Ingenieurs H. Thumann in der Kurallee 8/9 errichtete er das wohl repräsentativste Unternehmerschloss der Jahrhundertwende im neogotischen Stil in Halle, erbaut 1899 bis 1901. Der drei- bis viergeschossige Putzbau erinnert an ein gotisches Schloss, er hat ebenfalls einen hohen, schlanken Eckturm wie eine Burg und ist überall zinnenbewehrt. Im Innern der Villa verwendete Schönemann auch Art deco-Elemente. Für den Umbau des Wohn- und Geschäftshauses Hauses Leipziger Straße 28 hat Schönemann im Jahr 1904 die Jugendstil-Fassade mit einem auffälligen runden Erker entworfen.

Die Villa Thumann gilt als repräsentatives Unternehmerschloss der Jahrhundertwende.
Die Villa Thumann gilt als repräsentatives Unternehmerschloss der Jahrhundertwende.

Ein weiteres bekanntes Gebäude, an dem Fritz Schönemann mitgebaut hat, das es heute aber nicht mehr gibt, war die Zuckerfabrik Halle. Die „Neue Actien-Zuckerraffinerie” am ehemaligen Thüringer Bahnhof wurde 1861/62 errichtet und 1895 von Fritz Schönemann um ein sechsgeschossiges Lagerhaus und einen achtgeschossigen Turm erweitert.

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